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Podcast #2 – Was bringen Innovationen?

12:56
 
Jaa
 

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Ein Podcast von ze.tt und Deloitte

Podcast Deloitte – Wie begegnen wir der Zukunft Episode 2: Innovationen Protagonist: Kristiina Coenen

Wie begegnen wir der Zukunft – 2. Was bringen Innovationen?

Mae

Innovationen sind enorm wichtig, wenn man den Übergang zur digitalen Gesellschaft nicht verschlafen will. Schließlich wollen wir uns schon heute auf morgen vorbereiten und nicht erst nach Lösungen suchen, wenn unsere Probleme schon da sind. Vorausschauendes Handeln ist in unserer schnelllebigen Welt extrem wichtig. Und der Einsatz von neuen Technologien auch.

Hi, ich bin Mae von ze.tt und in der zweiten Folge des Podcasts “Wie begegnen wir der Zukunft” spreche ich mit Kristiina Coenen. Sie ist Leiterin der Deloitte Tax Garage, einem unternehmensinternen Think Tank, in dem innovative Produkte aus dem Bereich Tax und Legal entwickelt werden. Wie kann Innovation in diesem Bereich aussehen? Welche Ideen gibt es, um die Arbeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einfacher und effizienter zu gestalten? Und wie kommt Kristiina eigentlich ganz persönlich mit dem Wechsel von der Steuerberaterin zur Innovationsentwicklerin klar. Darum geht es in dieser Folge.

Mae Hallo Kristiina.

Kristiina Hallo Mae.

Mae Wie reagieren Leute eigentlich darauf, wenn sie hören, dass du Steuerberaterin bist?

Kristiina Ja, ich muss lachen, weil die meisten sind schon überrascht, weil das Steuerberaterverständnis ist „langweilig, staubtrocken und sehr eintönig“. Die Leute denken, dass ich in einem dunklen Kellerraum sitze und Akten durchwälze, auch uns hat die gesellschaftliche Entwicklung erreicht und wir arbeiten auch schon Jahre paperless.

Mae Du meinst also, diese Wahrnehmung ist nicht unbedingt gerechtfertigt. Oder gibt es Punkte, wo das doch stimmt?

Kristiina Es gibt Punkte, wo das mit Sicherheit auch stimmt, weil es gibt repetitive, monotone Tätigkeiten bei uns. Aber insgesamt muss man schon sagen, dass unser Aufgabenbereich sehr individuell, abwechslungsreich und komplex ist. Jetzt gerade nach der Mittagspause bin ich natürlich eher gerne mit repetitiven Aufgaben beschäftigt, als hochanspruchsvolle komplexe Fragen des Steuerrechts zu beantworten, aber insgesamt muss man doch sagen, dass man gerade die herausfordernden Aufgaben für sich gewinnen möchte.

Mae Der Bereich Steuern ist an sich ja ein sehr umfassender Bereich, oder?

Kristiina Ja richtig. Ob ich tanke, ob ich was kaufe – zum Beispiel ein Haus – oder ob ich was vererbe, gut ich bin noch nicht gestorben, aber vielleicht verschenke ich etwas. Ob ich im Inland umziehe, ob ich ins Ausland ziehe. Alles hat steuerrechtliche Folgen. Und wenn ich das erzähle, dann denkt jeder: Ja, stimmt.

Und das ist gerade unsere Herausforderung. Der Kunde weiß nicht, was sein Problem ist. Aber es wird abverlangt, dass der Steuerberater ein allumfassendes Wissensmonster ist. Er muss alle Sachverhalte kennen, er muss auf alle Sachverhalte die richtige Lösung wissen, er muss aus der Vergangenheit alles wissen, er muss zukünftig auch prognostizieren, was alles auf den Mandanten zukommt, deswegen ist unsere Aufgabe auch sehr komplex.

Ich nenn dir einfach mal ein Beispiel aus dem Leben. Die erste Frage mit der ich ja immer tangiert werde: Oh, du bist Steuerberaterin, ich hab da mal ne Frage zu meiner Einkommenssteuererklärung. Wo ich mir denke, ja ich arbeite im Unternehmenssteuerrecht. Da hab ich leider von der Einkommenssteuererklärung jetzt nicht so viel Ahnung. Da wird direkt gefragt: wie? Na, das ist ganz einfach. Stell dir vor, du hast deinen Arm gebrochen, dann gehst du auch nicht zum Zahnarzt. Ja, sehr einleuchtend. Und das sind eben diese Bilder des täglichen Lebens, was ein Steuerberater wissen muss und was er alles wissen kann.

Mae: Wie bist du selber denn auf den Innovationsgedanken gekommen?

Kristiina Im Rahmen meiner Tätigkeit bei Deloitte wurde ich für drei Monate in ein sehr innovatives Start-Up ausgeliehen. Und da ging es darum, dass ich einen gewissen steuerlichen Sachverhalt sehr genau im Detail verstehen musste, weswegen ich auch drei Monate vor Ort war. Es war ein sehr, sehr komplizierter Fall. Und was mich fasziniert hatte bei diesem Start-up, die beschäftigen sich mit der Schadensregulierung. Und zwar ist es so, dass sie mit einem iPad, zum Beispiel wenn die Küche irgendwo kaputt ist, zum Kunden vor Ort fahren, mit dem iPad alles aufnehmen und dann währenddessen, während der Sachbearbeiter die Küche quasi filmt, werden eben alle entsprechenden Teile, welche kaputt sind, in einem Gutachten schon zusammengefasst. Das heißt, die Kamera erkennt, um was für ein Holz es sich handelt, um was für einen Boden es sich handelt, alles. Also welches Elektrogerät, alles. Und ich war so beeindruckt und begeistert davon und hab‘ mir nur gedacht: „Mein Gott, das brauchen wir auch bei Deloitte, diesen Spirit.“ Und ich hab‘ mir nur gedacht: „Wenn ich die Technik verstehe, dann kann ich darauf basierend auch die Anwendungsfälle in der Praxis finden.“ Und deswegen sind wir bei Deloitte dahingehend gegangen, dass wir gesagt haben: „Wir brauchen auch so einen Brutkasten, um eben dieses Moonshot Thinking voranzutreiben. Und wir brauchen das eben gerade deswegen in Deloitte selber, weil wir auf unsere Kollegen angewiesen sind, dass wir die für dieses Thema sensibilisieren…

Dass eben diese Kollegen wissen, welche Möglichkeiten es für uns gibt, weil zum Beispiel ein Informatiker, der zu uns kommt und sich mit der Technik auskennt, der kennt ja gar nicht unsere Anwendungsfälle. Der weiß auch nicht, was das Problem des Kunden ist und wie wir denen helfen können. Aber gerade wir als Steuerberater und Rechtsanwälte, wir verstehen, wo die Probleme liegen und wir wissen auch, was die Fälle sind und wir brauchen einfach nur diese technische Umsetzbarkeit. Und deswegen haben wir die Garage gegründet, in der ganz viele verschiedene Menschen sind. Wir haben zum einen die Design-Thinker da, wir haben die Techies da, wir haben Projektmanager da und wir haben Fachexperten da. Und in dieser Kombination entwickeln wir neue Produkte, Services Pause und entdecken neue Geschäftsfelder.

Mae Was machst du denn ganz genau bei der Tax Garage?

Kristiina Das Ziel ist innovative Produkte, Services und Geschäftsmodelle für den Tax and Legal-Bereich zu entwickeln. Und die Ideen können groß oder klein sein. Das können umsatzgetriebene Ideen sein, das können aber auch kosteneinsparende Ideen sein. Das können aber auch Ideen sein, womit wir Vorreiter am Markt sind. Zum Beispiel wenn es eine neue Gesetzesänderung gibt, wie zum Beispiel bei der Grundsteuer, dass wir eben ein Tool entwickeln, dass wir Vorreiter am Markt sind. Deswegen kann diese Idee ganz klein sein oder es kann eine Moonshot-Idee sein. Wir in der Tax and Legal Garage sind offen für alle Ideen, denn Ideen, die entwickelt sind, sind wertvoll und Ideen, die nicht entwickelt werden, sind wertlos.

Mae Welche Ideen habt ihr denn ganz konkret schon umgesetzt? Kannst du mal ein paar Beispiele nennen?

Kristiina Also Steuerberatung ist wie eingangs schon gesagt, halt sehr komplex. Das heißt, wenn ich einen Sachverhalt habe, oder wenn ich ein Problem habe, dann ist die Antwort auf dieses Problem nicht ganz trivial. Man kann jetzt nicht das steuerliche Problem einfach bei Google eingeben und dann bekommt man direkt einen Treffer. Man muss dieses Problem erst einmal unterteilen und ich kann Teillösungen ergoogeln in Anführungszeichen, wobei wir die in den Datenbanken uns selber herausarbeiten müssen, aber ich kann nie das ganzheitliche Problem erfassen. Ferner ist es bei uns in den Datenbanken auch schwierig, weil wenn ich ein Schlagwort eingebe, dann werden diese Schlagwörter eben nicht nach Relevanz herausgesucht, sondern nach Häufigkeit in den jeweiligen Artikeln. Ferner bekomm ich auch die Artikel nicht so zusammengefasst, dass ich quasi, weiß, worum es in dem Artikel geht, sondern ich muss da quer einmal drüber lesen, ob es da nicht etwas gibt, was für unsere Mandanten interessant sein könnte und deswegen arbeiten wir auch an einem Tool damit wir befähigt werden, dass eben diese Vorarbeit von der Maschine gemacht wird. Dafür nutzen wir künstliche Intelligenz.

Mae Gibt es weitere Erfindungen?

Kristiina Wir haben ein total cooles Tool entwickelt, das unserem Kunden hilft, zu prognostizieren, wie sein Sachverhalt vor einem Gericht entschieden wird. Und wie haben wir das gemacht? Das haben wir mit Machine Learning gemacht. Indem eben alle Gerichtsurteile in dieses Tool gespeist haben, um auf deren Basis zu prognostizieren, wie in dem entsprechenden Fall von Mandanten das Gericht entscheiden würde.

Mae Wie kriegst du Steuerberater motiviert, mit dir zusammen innovativ zu sein?

Kristiina Naja, ich würde sagen Fähigkeit, analytisch denken zu können, schließt Kreativität nicht aus. Und wie können wir diese Menschen dazu bekommen, dass sie gerne wieder kreativ arbeiten. Weil wenn man aus einem sehr analytischen Umfeld kommt, ist es sehr schwierig, diesen Switch auf Anhieb zu machen. Deswegen machen wir Design Thinking Workshops, wo wir mit Lego spielen. Das hört sich im ersten Moment vielleicht sehr abstrakt an. Aber es wirkt. Wenn die Leute den Raum betreten und auf den Tischen Lego sehen, dann ist erst mal Skepsis angesagt, manche nehmen schon die ersten Steine in die Hand und sagen: Meh, was muss ich denn jetzt hier machen, das hab ich zum letzten Mal als Kind gemacht. Andere sind wiederum überrascht, positiv überrascht. Sie sagen: Yes, jetzt spielen wir, anstatt steuerliche Probleme zu lösen. Und dann kommen wir von einer kleinen Challenge, wie zum Beispiel, welches Tier bist du, zu wie könntest du deinen Job effizienter gestalten. Zu jetzt überlegst du dir, was können wir hier so innovieren, dass es revolutionär ist.

Mae Und hat denn diese Kreativitätstechnik auch schon Erfolge gezeigt in der Vergangenheit?

Kristiina Ja, eins kommt mir direkt in den Sinn. Da hatten wir die Challenge gestellt. Ok, Ihr könnt gern was innovieren. Und da ist den Teilnehmern aufgefallen: Ja, wir reisen ja schon sehr viel und das ist ja nicht so gut für die Umwelt. Und es wäre ja auch viel besser, wenn man sich ein Taxi teilt. Ferner ist es jetzt hier in diesem Workshop auch so spannend, viele neue Leute kennenzulernen, auch von ganz anderen Geschäftsbereichen, sodass es ja auch gut wäre, wenn man gemeinsam in einem Taxi fährt. Und deswegen hatten die eine App entwickelt, womit wir dann gemeinsam vom Flughafen zum Büro fahren können, um uns während dieser Fahrt auch näher kennen lernen zu können. Und ich fand diese Idee super! Weil es ist ja immer sehr spannend, neue Leute kennenzulernen, gerade bei uns im Unternehmen, wo wir nicht nur Steuerberater und Rechtsanwälte haben, sondern auch Neurowissenschaftler, Informatiker ja.

Mae Also so wie Tinder für Deloitte ja?

Kristiina Ja so könnte man es vielleicht auch ausdrücken.

Mae Das klingt alles sehr visionär. Aber es ist ja bestimmt nicht alles eitel Sonnenschein. Mit welchen Herausforderungen hast du zu kämpfen?

Kristiina Herausfordernd ist, die richtigen Leute zu finden. Denn auch wir suchen Informatiker. Die auch alle anderen Unternehmen suchen. Und deswegen ist es für uns wichtig, dass wir diese Talente abholen, dass wir diese Talente davon überzeugen, dass Tax nicht nur Boring ist, sondern dass wir auch coole Projekte machen und dass es richtig Bock macht in Tax zu arbeiten.

Mae Meinst du denn eigentlich, dass all diese Erfindungen dich irgendwann ersetzen?

Vor ein paar Jahren ist mein Freund mit meinem Wagen zu einem Landwirt gefahren und musste dort Inventur machen. Und wie sah diese Inventur aus? Er ist mit meinem Wagen durch den Schlamm gefahren zum Silo und ist dann hochgeklettert mit dem Mitarbeiter ,um dann zu gucken, wie voll das Silo ist. Mit dem Resultat: das Auto sah aus, die Schuhe sahen aus! Ah!

Und wie sieht das heute aus? Heute fliegt der Mandant mit einer Drohne über das Feld zum Silo, guckt mit der Drohne da rein und mein Freund sitzt mit sauberen Schuhen im Büro und guckt sich nachher das Material an. Daran kann man sehen, dass der technologische Fortschritt uns das Leben auch sehr viel einfacher machen kann. Und es ist eben nicht so, dass die Maschine den Mensch ersetzen wird, sondern viel mehr unterstützen kann. Und diese Unterstützungsfunktion hat man ja auch damals beim Computer anders prognostiziert – wollt ich beinah sagen, das war ja eher die Schwarzmalerei der Menschen, indem diese gesagt haben: „Oh, wenn der Computer eingeführt wird, dann hab ich gar nichts mehr zu tun, denn der Computer wird meinen Job ersetzen. Und heute ist es tendenziell so, dass die meisten Menschen mehr arbeiten, als vor Einführung der Computer.

Mae Vielen Dank für’s Gespräch.

Mae Die Zukunft hält viel Gutes für unsere Arbeitswelt bereit. Aber es gibt auch eine andere Seite der Medaille: In der nächsten Folge des Podcasts „Wie wir der Zukunft begegnen“ treffe ich Peter Wirnsperger. Er ist IT-Experte und kennt sich mit Cyberangriffen und Systemsicherheit aus. Mit ihm bespreche ich die Risiken der Digitalisierung.

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Ein Podcast von ze.tt und Deloitte

Podcast Deloitte – Wie begegnen wir der Zukunft Episode 2: Innovationen Protagonist: Kristiina Coenen

Wie begegnen wir der Zukunft – 2. Was bringen Innovationen?

Mae

Innovationen sind enorm wichtig, wenn man den Übergang zur digitalen Gesellschaft nicht verschlafen will. Schließlich wollen wir uns schon heute auf morgen vorbereiten und nicht erst nach Lösungen suchen, wenn unsere Probleme schon da sind. Vorausschauendes Handeln ist in unserer schnelllebigen Welt extrem wichtig. Und der Einsatz von neuen Technologien auch.

Hi, ich bin Mae von ze.tt und in der zweiten Folge des Podcasts “Wie begegnen wir der Zukunft” spreche ich mit Kristiina Coenen. Sie ist Leiterin der Deloitte Tax Garage, einem unternehmensinternen Think Tank, in dem innovative Produkte aus dem Bereich Tax und Legal entwickelt werden. Wie kann Innovation in diesem Bereich aussehen? Welche Ideen gibt es, um die Arbeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einfacher und effizienter zu gestalten? Und wie kommt Kristiina eigentlich ganz persönlich mit dem Wechsel von der Steuerberaterin zur Innovationsentwicklerin klar. Darum geht es in dieser Folge.

Mae Hallo Kristiina.

Kristiina Hallo Mae.

Mae Wie reagieren Leute eigentlich darauf, wenn sie hören, dass du Steuerberaterin bist?

Kristiina Ja, ich muss lachen, weil die meisten sind schon überrascht, weil das Steuerberaterverständnis ist „langweilig, staubtrocken und sehr eintönig“. Die Leute denken, dass ich in einem dunklen Kellerraum sitze und Akten durchwälze, auch uns hat die gesellschaftliche Entwicklung erreicht und wir arbeiten auch schon Jahre paperless.

Mae Du meinst also, diese Wahrnehmung ist nicht unbedingt gerechtfertigt. Oder gibt es Punkte, wo das doch stimmt?

Kristiina Es gibt Punkte, wo das mit Sicherheit auch stimmt, weil es gibt repetitive, monotone Tätigkeiten bei uns. Aber insgesamt muss man schon sagen, dass unser Aufgabenbereich sehr individuell, abwechslungsreich und komplex ist. Jetzt gerade nach der Mittagspause bin ich natürlich eher gerne mit repetitiven Aufgaben beschäftigt, als hochanspruchsvolle komplexe Fragen des Steuerrechts zu beantworten, aber insgesamt muss man doch sagen, dass man gerade die herausfordernden Aufgaben für sich gewinnen möchte.

Mae Der Bereich Steuern ist an sich ja ein sehr umfassender Bereich, oder?

Kristiina Ja richtig. Ob ich tanke, ob ich was kaufe – zum Beispiel ein Haus – oder ob ich was vererbe, gut ich bin noch nicht gestorben, aber vielleicht verschenke ich etwas. Ob ich im Inland umziehe, ob ich ins Ausland ziehe. Alles hat steuerrechtliche Folgen. Und wenn ich das erzähle, dann denkt jeder: Ja, stimmt.

Und das ist gerade unsere Herausforderung. Der Kunde weiß nicht, was sein Problem ist. Aber es wird abverlangt, dass der Steuerberater ein allumfassendes Wissensmonster ist. Er muss alle Sachverhalte kennen, er muss auf alle Sachverhalte die richtige Lösung wissen, er muss aus der Vergangenheit alles wissen, er muss zukünftig auch prognostizieren, was alles auf den Mandanten zukommt, deswegen ist unsere Aufgabe auch sehr komplex.

Ich nenn dir einfach mal ein Beispiel aus dem Leben. Die erste Frage mit der ich ja immer tangiert werde: Oh, du bist Steuerberaterin, ich hab da mal ne Frage zu meiner Einkommenssteuererklärung. Wo ich mir denke, ja ich arbeite im Unternehmenssteuerrecht. Da hab ich leider von der Einkommenssteuererklärung jetzt nicht so viel Ahnung. Da wird direkt gefragt: wie? Na, das ist ganz einfach. Stell dir vor, du hast deinen Arm gebrochen, dann gehst du auch nicht zum Zahnarzt. Ja, sehr einleuchtend. Und das sind eben diese Bilder des täglichen Lebens, was ein Steuerberater wissen muss und was er alles wissen kann.

Mae: Wie bist du selber denn auf den Innovationsgedanken gekommen?

Kristiina Im Rahmen meiner Tätigkeit bei Deloitte wurde ich für drei Monate in ein sehr innovatives Start-Up ausgeliehen. Und da ging es darum, dass ich einen gewissen steuerlichen Sachverhalt sehr genau im Detail verstehen musste, weswegen ich auch drei Monate vor Ort war. Es war ein sehr, sehr komplizierter Fall. Und was mich fasziniert hatte bei diesem Start-up, die beschäftigen sich mit der Schadensregulierung. Und zwar ist es so, dass sie mit einem iPad, zum Beispiel wenn die Küche irgendwo kaputt ist, zum Kunden vor Ort fahren, mit dem iPad alles aufnehmen und dann währenddessen, während der Sachbearbeiter die Küche quasi filmt, werden eben alle entsprechenden Teile, welche kaputt sind, in einem Gutachten schon zusammengefasst. Das heißt, die Kamera erkennt, um was für ein Holz es sich handelt, um was für einen Boden es sich handelt, alles. Also welches Elektrogerät, alles. Und ich war so beeindruckt und begeistert davon und hab‘ mir nur gedacht: „Mein Gott, das brauchen wir auch bei Deloitte, diesen Spirit.“ Und ich hab‘ mir nur gedacht: „Wenn ich die Technik verstehe, dann kann ich darauf basierend auch die Anwendungsfälle in der Praxis finden.“ Und deswegen sind wir bei Deloitte dahingehend gegangen, dass wir gesagt haben: „Wir brauchen auch so einen Brutkasten, um eben dieses Moonshot Thinking voranzutreiben. Und wir brauchen das eben gerade deswegen in Deloitte selber, weil wir auf unsere Kollegen angewiesen sind, dass wir die für dieses Thema sensibilisieren…

Dass eben diese Kollegen wissen, welche Möglichkeiten es für uns gibt, weil zum Beispiel ein Informatiker, der zu uns kommt und sich mit der Technik auskennt, der kennt ja gar nicht unsere Anwendungsfälle. Der weiß auch nicht, was das Problem des Kunden ist und wie wir denen helfen können. Aber gerade wir als Steuerberater und Rechtsanwälte, wir verstehen, wo die Probleme liegen und wir wissen auch, was die Fälle sind und wir brauchen einfach nur diese technische Umsetzbarkeit. Und deswegen haben wir die Garage gegründet, in der ganz viele verschiedene Menschen sind. Wir haben zum einen die Design-Thinker da, wir haben die Techies da, wir haben Projektmanager da und wir haben Fachexperten da. Und in dieser Kombination entwickeln wir neue Produkte, Services Pause und entdecken neue Geschäftsfelder.

Mae Was machst du denn ganz genau bei der Tax Garage?

Kristiina Das Ziel ist innovative Produkte, Services und Geschäftsmodelle für den Tax and Legal-Bereich zu entwickeln. Und die Ideen können groß oder klein sein. Das können umsatzgetriebene Ideen sein, das können aber auch kosteneinsparende Ideen sein. Das können aber auch Ideen sein, womit wir Vorreiter am Markt sind. Zum Beispiel wenn es eine neue Gesetzesänderung gibt, wie zum Beispiel bei der Grundsteuer, dass wir eben ein Tool entwickeln, dass wir Vorreiter am Markt sind. Deswegen kann diese Idee ganz klein sein oder es kann eine Moonshot-Idee sein. Wir in der Tax and Legal Garage sind offen für alle Ideen, denn Ideen, die entwickelt sind, sind wertvoll und Ideen, die nicht entwickelt werden, sind wertlos.

Mae Welche Ideen habt ihr denn ganz konkret schon umgesetzt? Kannst du mal ein paar Beispiele nennen?

Kristiina Also Steuerberatung ist wie eingangs schon gesagt, halt sehr komplex. Das heißt, wenn ich einen Sachverhalt habe, oder wenn ich ein Problem habe, dann ist die Antwort auf dieses Problem nicht ganz trivial. Man kann jetzt nicht das steuerliche Problem einfach bei Google eingeben und dann bekommt man direkt einen Treffer. Man muss dieses Problem erst einmal unterteilen und ich kann Teillösungen ergoogeln in Anführungszeichen, wobei wir die in den Datenbanken uns selber herausarbeiten müssen, aber ich kann nie das ganzheitliche Problem erfassen. Ferner ist es bei uns in den Datenbanken auch schwierig, weil wenn ich ein Schlagwort eingebe, dann werden diese Schlagwörter eben nicht nach Relevanz herausgesucht, sondern nach Häufigkeit in den jeweiligen Artikeln. Ferner bekomm ich auch die Artikel nicht so zusammengefasst, dass ich quasi, weiß, worum es in dem Artikel geht, sondern ich muss da quer einmal drüber lesen, ob es da nicht etwas gibt, was für unsere Mandanten interessant sein könnte und deswegen arbeiten wir auch an einem Tool damit wir befähigt werden, dass eben diese Vorarbeit von der Maschine gemacht wird. Dafür nutzen wir künstliche Intelligenz.

Mae Gibt es weitere Erfindungen?

Kristiina Wir haben ein total cooles Tool entwickelt, das unserem Kunden hilft, zu prognostizieren, wie sein Sachverhalt vor einem Gericht entschieden wird. Und wie haben wir das gemacht? Das haben wir mit Machine Learning gemacht. Indem eben alle Gerichtsurteile in dieses Tool gespeist haben, um auf deren Basis zu prognostizieren, wie in dem entsprechenden Fall von Mandanten das Gericht entscheiden würde.

Mae Wie kriegst du Steuerberater motiviert, mit dir zusammen innovativ zu sein?

Kristiina Naja, ich würde sagen Fähigkeit, analytisch denken zu können, schließt Kreativität nicht aus. Und wie können wir diese Menschen dazu bekommen, dass sie gerne wieder kreativ arbeiten. Weil wenn man aus einem sehr analytischen Umfeld kommt, ist es sehr schwierig, diesen Switch auf Anhieb zu machen. Deswegen machen wir Design Thinking Workshops, wo wir mit Lego spielen. Das hört sich im ersten Moment vielleicht sehr abstrakt an. Aber es wirkt. Wenn die Leute den Raum betreten und auf den Tischen Lego sehen, dann ist erst mal Skepsis angesagt, manche nehmen schon die ersten Steine in die Hand und sagen: Meh, was muss ich denn jetzt hier machen, das hab ich zum letzten Mal als Kind gemacht. Andere sind wiederum überrascht, positiv überrascht. Sie sagen: Yes, jetzt spielen wir, anstatt steuerliche Probleme zu lösen. Und dann kommen wir von einer kleinen Challenge, wie zum Beispiel, welches Tier bist du, zu wie könntest du deinen Job effizienter gestalten. Zu jetzt überlegst du dir, was können wir hier so innovieren, dass es revolutionär ist.

Mae Und hat denn diese Kreativitätstechnik auch schon Erfolge gezeigt in der Vergangenheit?

Kristiina Ja, eins kommt mir direkt in den Sinn. Da hatten wir die Challenge gestellt. Ok, Ihr könnt gern was innovieren. Und da ist den Teilnehmern aufgefallen: Ja, wir reisen ja schon sehr viel und das ist ja nicht so gut für die Umwelt. Und es wäre ja auch viel besser, wenn man sich ein Taxi teilt. Ferner ist es jetzt hier in diesem Workshop auch so spannend, viele neue Leute kennenzulernen, auch von ganz anderen Geschäftsbereichen, sodass es ja auch gut wäre, wenn man gemeinsam in einem Taxi fährt. Und deswegen hatten die eine App entwickelt, womit wir dann gemeinsam vom Flughafen zum Büro fahren können, um uns während dieser Fahrt auch näher kennen lernen zu können. Und ich fand diese Idee super! Weil es ist ja immer sehr spannend, neue Leute kennenzulernen, gerade bei uns im Unternehmen, wo wir nicht nur Steuerberater und Rechtsanwälte haben, sondern auch Neurowissenschaftler, Informatiker ja.

Mae Also so wie Tinder für Deloitte ja?

Kristiina Ja so könnte man es vielleicht auch ausdrücken.

Mae Das klingt alles sehr visionär. Aber es ist ja bestimmt nicht alles eitel Sonnenschein. Mit welchen Herausforderungen hast du zu kämpfen?

Kristiina Herausfordernd ist, die richtigen Leute zu finden. Denn auch wir suchen Informatiker. Die auch alle anderen Unternehmen suchen. Und deswegen ist es für uns wichtig, dass wir diese Talente abholen, dass wir diese Talente davon überzeugen, dass Tax nicht nur Boring ist, sondern dass wir auch coole Projekte machen und dass es richtig Bock macht in Tax zu arbeiten.

Mae Meinst du denn eigentlich, dass all diese Erfindungen dich irgendwann ersetzen?

Vor ein paar Jahren ist mein Freund mit meinem Wagen zu einem Landwirt gefahren und musste dort Inventur machen. Und wie sah diese Inventur aus? Er ist mit meinem Wagen durch den Schlamm gefahren zum Silo und ist dann hochgeklettert mit dem Mitarbeiter ,um dann zu gucken, wie voll das Silo ist. Mit dem Resultat: das Auto sah aus, die Schuhe sahen aus! Ah!

Und wie sieht das heute aus? Heute fliegt der Mandant mit einer Drohne über das Feld zum Silo, guckt mit der Drohne da rein und mein Freund sitzt mit sauberen Schuhen im Büro und guckt sich nachher das Material an. Daran kann man sehen, dass der technologische Fortschritt uns das Leben auch sehr viel einfacher machen kann. Und es ist eben nicht so, dass die Maschine den Mensch ersetzen wird, sondern viel mehr unterstützen kann. Und diese Unterstützungsfunktion hat man ja auch damals beim Computer anders prognostiziert – wollt ich beinah sagen, das war ja eher die Schwarzmalerei der Menschen, indem diese gesagt haben: „Oh, wenn der Computer eingeführt wird, dann hab ich gar nichts mehr zu tun, denn der Computer wird meinen Job ersetzen. Und heute ist es tendenziell so, dass die meisten Menschen mehr arbeiten, als vor Einführung der Computer.

Mae Vielen Dank für’s Gespräch.

Mae Die Zukunft hält viel Gutes für unsere Arbeitswelt bereit. Aber es gibt auch eine andere Seite der Medaille: In der nächsten Folge des Podcasts „Wie wir der Zukunft begegnen“ treffe ich Peter Wirnsperger. Er ist IT-Experte und kennt sich mit Cyberangriffen und Systemsicherheit aus. Mit ihm bespreche ich die Risiken der Digitalisierung.

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